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Gilgamesh (3)

Veröffentlicht am 04.11.2016

 

Seinen Schmutz wusch er ab, reinigte sein Wehrgehäng, 
Seinen Haarschopf schüttelt' er sich in den Rücken, 
Warf die unreinen Kleider ab, zog sich saubre an, 
Mit dem Mantel umhüllt' er sich, hat den Gürtel um. 
Wie Gilgamesch die Königsmütze sich aufgesetzt, 
Erhob zu Gilgameschs Schönheit Ihre Augen die fürstliche Ischtar:

»Komm, Gilgamesch! Du sollst mein Gatte sein! 
Schenk, o schenke mir deine Fülle! 
Du sollst mein Mann sein, ich will dein Weib sein! 
Ich will dir bespannen lassen einen Wagen von Gold und Lasurstein, 
Mit goldenen Rädern und Hörnern von Mondstein! 
Mit Stürmen, mit großen Mauleseln soll er bespannt sein! 
Unter Zederndüften betritt unser Haus! 
Dir sollen beim Eintritt in unser Haus 
Türpfosten und Thronsessel die Füße küssen! 
Vor dir sollen knien Könige, Vornehme und Fürsten, 
Die Lullubäer' des Gebirgs und das Land sollen dir Abgaben bringen! 
Die Ziegen sollen dir Drillinge werfen, die Schafe Zwillinge! 
Dein lastbarer Esel hole das Maultier ein! 
Dein Roß vorm Wagen, der feurigste Renner sei's! 
Dein Rind im Joch habe keins, das ihm gleichkommt!«
Gilgamesch tat seinen Mund zum Reden auf und sprach zur fürstlichen Ischtar:

»Was muß ich dir geben, wenn ich dich nehme? 
Brauchst du Salbe für den Leib, oder brauchst du Gewänder? 
Fehlt es dir etwa an Brot oder Nahrung? 
Freilich habe ich götterwürdige Speise, 
Habe manchen Trank, der dem Königtum ansteht!


[1 Vers fehlt]

Doch wozu? An der Straße, da sei dein Sitz, 
... mit einem Mantel magst du bekleidet sein, 
Dann wird dich nehmen, wer immer Lust hat! 
Ein Ofen bist du, der das Eis nicht ... 
Eine unfertige Türe, die Wind und Blast nicht abhält! 
Ein Palast, der niederschmettert den Helden, 
Ein Elefant, der da abreißt seine Decke! 
Erdpech, das seinen Träger besudelt, 
Ein Schlauch, der seinen Träger durchnäßt! 
Ein Kalkstein, der die steinerne Mauer sprengt, 
Ein Jaspis, der das feindliche Land herbeilockt! 
Ein Schuh, der seinen Besitzer kneift! 
Welchen deiner Buhlen behältst du für allezeit lieb? 
Welche deiner Racken, die ... hinaufgekommen wäre? 
Wohlan, deine Liebsten will ich dir nennen!

[1 Vers fehlt]

Dumuzi, deinem Jugendgeliebten - 
Ihm hast Jahr für Jahr du zu weinen bestimmt. 
Da du die bunte Racke liebtest, 
Hast du sie geschlagen, ihr den Flügel zerbrochen, 
In den Wäldern weilt sie nun, >Kappi< [= mein Flügel] rufend! 
Da den Leu du liebtest, den kraftvollkommenen, 
Grubst du ihm Gruben, sieben und abermals sieben. 
Da du liebtest das schlachtenfromme Roß, 
Hast ihm Peitsche du, Stachel und Peitschenschnur bestimmt, 
Sieben Doppelstunden zu rennen bestimmt, 
Aufgewühltes zu saufen bestimmt, 
Seiner Mutter Silili zu weinen bestimmt! 
Da du den Hirten, den Hüter liebtest, 
Der ständig dir Aschenkuchen geschichtet, 
Täglich dir Zicklein geschlachtet hatte, 
Hast du ihn geschlagen, in einen Wolf verwandelt: 
Die eigenen Hirtenknaben verjagen ihn nun, 
Und seine Hunde beißen ihn in die Schenkel.
Da du liebtest Ischullânu, deines Vaters Palmgärtner, 
Der ständig dir Körbe voll Datteln brachte, 
Täglich prangen ließ deinen Tisch - 
Erhobst du zu ihm die Augen, gingst hin zu ihm: 
,Mein Ischullânu, ach, genießen wir deine Kraft! 
Und deine Hand sei ausgestreckt, faß an unsere Blöße! 
Ischullânu redete zu dir: 
»Was verlangst du eigentlich da von mir? 
Buk nicht meine Mutter? Hab ich nicht gegessen? 
Daß ich nun essen müßte mein Brot unter Beschimpfungen und Flüchen, 
Daß Halfagras nur meine Bedeckung wäre gegen die Kälte?« 
Da du nun diese seine Rede hörtest, 
Hast du ihn geschlagen, in einen Verkümmerten verwandelt, 
Auch ließest du ihn wohnen inmitten von Mühsal. 
Nicht sind oben ..., nicht liegt unten sein Schöpfeimer 
Und liebst du mich, so machst du mich jenen gleich!«

Ischtar - kaum daß sie dieses hörte, 
War sie, Ischtar, sehr zornig, stieg empor zum Himmel, 
Es ging Ischtar hin, weint vor Anu, ihrem Vater. 

Vor Antum, ihrer Mutter, fließen ihre Tränen: 

»Mein Vater! Gilgamesch hat mich sehr beschimpft! 
Beschimpfungen gegen mich reihte er aneinander, 
Beschimpfungen und Flüche gegen mich!«

Anu tat zum Reden den Mund auf und sprach zur fürstlichen Ischtar: 

»Wohl reiztest du selber den König von Uruk, 
Darum reihte Gilgamesch Beschimpfungen gegen dich aneinander, 
Beschimpfungen und Flüche gegen dich!«

Ischtar tat zum Reden den Mund auf und sprach zu Anu, ihrem Vater:

»Mein Vater! Schaff mir den Himmelsstier, daß er Gilgamesch töte in seinem Hause! 
Schaffst du mir aber den Himmelsstier nicht, so zerschlag ich die Türen der Unterwelt, 
Zerschmeiß ich die Pfosten, laß die Tore weit offenstehn, 
Laß ich auferstehn die Toten, daß sie fressen die Lebenden, 
Der Toten werden mehr sein denn der Lebendigen!« 

Anu tat zum Reden den Mund auf und sprach zur fürstlichen Ischtar: 

»Wenn du den Himmelsstier von mir verlangst, wird es für Uruk sieben Spreujahre geben. 
Dann muß ich für die Menschen Korn sammeln, wachsen lassen viel Gras für das Vieh!«

Ischtar tat zum Reden den Mund auf und sprach zu Anu, ihrem Vater: 

»Vater, ich häufte Korn für die Menschen auf, Gras für das Vieh hab ich auch beschafft! 
Daß sie satt in den sieben Spreujahren werden, hab für die Menschen ich Korn gesammelt, 
Wachsen lassen viel Gras für das Vieh.«

Als nun Anu der Ischtar Rede hörte, legte er des Himmelsstiers Leitseil in ihre Hand. 
Hinab zur Erde führt' ihn jetzt Ischtar. 
Als nun der Himmelsstier nach Uruk gelangte,

[1 Vers fehlt]

Stieg er hinunter zum Euphratfluß, 
Durch das Schnauben des Himmelsstiers wurde eine Grube geöffnet: 
Einhundert Männer von Uruk fielen in sie hinein. 
Durch sein zweites Schnauben wurde eine Grube geöffnet: 
Zweihundert Männer von Uruk fielen in sie hinein. 
Durch sein drittes Schnauben wurde eine Grube geöffnet, 
Und nun fiel Enkidu bis zu seiner Hüfte in sie hinein.

Herauf aus ihr sprang Enkidu, packte am Horn den Himmelsstier. 
Der Himmelsstier warf nach vorn den Geifer aus, 
Mit des Schweifes Dicke schleuderte er seinen Mist.

 
Enkidu tat zum Reden den Mund auf und sprach zu Gilgamesch: 

»Wir rühmten uns, Freund, ... 
Wie sollen wir antworten ...? 
Ich sah, mein Freund, ...

[1 Vers fehlt]

Ich will ausreißen ... 
Ich und du, wir müssen uns teilen: Packen will ich den Stier am Schweif;

[2 Verse fehlen]

Zwischen Nacken, Hörnern und ... soll ihn treffen dein Schwert.« 

Es jagte Enkidu, zu greifen den Himmelsstier, 
Da packte er ihn am Schweife fest, 
Enkidu hält ihn mit beiden Händen, 
Und Gilgamesch, wie ein kundiger Schlachter, 
Stark und sicher trifft er den Himmelsstier, 
Zwischen Nacken, Hörnern und ... mit seinem Schwert ... 
Da sie getötet den Himmelsstier, sein Inneres ausgeweidet, 
Legten sie vor Schamasch ihn nieder. 
Sie traten zurück, voll Ehrfurcht vor Schamasch sich beugend
Dann setzten sich beide Brüder. -

Auf stieg Ischtar auf Uruk-Garts Mauer, 
Sie sprang auf ..., stieß ein Wehgeschrei aus:

»Weh über Gilgamesch, der mich beschmäht hat! Den Himmelsstier erschlug er!« 

Da Enkidu diese Rede der Ischtar hörte, riß er des Himmelsstiers Keule aus und warf sie ihr hin: 

»Kriegte ich dich, auch dir tät' ich wie diesem! Sein Geweide hängt' ich an deinen Arm!«

Es scharte Ischtar die Dirnen um sich, die Huren und Priesterinnen: 
Über der Keule des Himmelsstiers hebt sie ein Klagen an. 
Aber Gilgamesch rief die Meister, alle die Waffenschmiede, 
Es rühmten die Meisterssöhne der Hörner Umfang. 
Aus dreißig Pfund Lasurrstein sind sie gebildet, 
Zwei Zoll beträgt ihrer Schalen Dicke. - 
Sechs Kor[= 1'500 L] Öl, den Inhalt der beiden, 
Schenkt' er als Salbe seinem Schutzgott Lugalbanda
Erhängte sie hinein ins Schlafgemach des Hausherren. 
Im Euphrat wuschen sie sich die Hände, 
Sie faßten einander und zogen dahin, 
Fahrend auf der Straße von Uruk. 
Sie zu schauen, scharen sich Uruks Leute.

Gilgamesch spricht zu den Dienerinnen seines Palastes die Worte: 

»Wer ist der herrlichste unter den Mannen? 
Wer ist der gewaltigste unter den Helden? 
Gilgamesch ist der herrlichste unter den Mannen! 
Gilgamesch ist der gewaltigste unter den Helden! 
Sie, der wir des Himmelsstiers Keule hinwarfen in unserem Grimm, 
Ischtar ... hat auf der Straße niemand, der ihr Herz erfreut! ...!« 

Gilgamesch hat in seinem Palast ein Freudenfest gefeiert - 
Nun schlafen die Mannen, auf dem Nachtlager ruhend
Auch Enkidu schläft und sieht einen Traum. 
Da fuhr Enkidu auf, erzählt den Traum, 
Und spricht zu seinem Freunde:   
 

Siebte Tafel

Mein Freund, weshalb nur ratschlagen die großen Götter?

[Stück aus der hethitischen Fassung]

Vernimm, welch einen Traum heute nacht ich gesehen: 
Anu, Enlil, Ea und der himmlische Schamasch 
Hielten Rat zu Enlil sprach Anu:

"Dafür, daß sie getötet den Himmelsstier, 
Auch den Chumbaba getötet haben, 
Soll", sprach Anu, "von ihnen sterben 
Der, der den Bergen die Zeder entrissen!" 

Enlil aber sprach: "Enkidu soll sterben, Gilgamesch aber soll nicht sterben."

Nun widersprach der himmlische Schamasch dem Helden Enlil: 

"Haben sie nicht auf mein Geheiß den Himmelsstier und Chumbaba getötet? 
Und nun soll Enkidu unschuldig sterben?" 

Aber Enlil erzürnte sich gegen den himmlischen Schamasch: 

"Weil du täglich zu ihnen wie ihresgleichen hinabgingst!" 

Enkidu lag (krank) darnieder vor Gilgamesch. 
Dem brachen da die Tränen in Strömen hervor: 

»Bruder, lieber Bruder! warum sprechen sie mich frei anstatt meines Bruders?« 
Sodann: »Werd ich mich nun zu einem Totengeist setzen müssen, zur Totengeisttür? 
Meinen lieben Bruder nimmermehr sehen mit meinen Augen?«

[Lücke]

[jüngere Fassung]

Enkidu hob die Augen auf, 
Mit der Türe spricht er als wie mit einem Menschen: 

»Du Türe aus dem Forst, du unvernünftige...: 
Ohne den Verstand, der nicht vorhanden ist, ... 
Auf zwanzig Doppelstunden ersah ich das gute Holz für dich! 
Bis daß ich die hohe Zeder gesehen . . 
War dein Holz ohnegleichen in meinen Augen. 
Sechsmal zwölf Ellen beträgt deine Höhe, 
Zweimal zwölf Ellen beträgt deine Breite
Türstange, Polschuh und Stangenknopf bei dir sind 
Ich zimmerte dich, ich hob dich auf, in Nippur. 
Hätt' ich, o Türe, gewußt, daß dies deine Schönheit, 
Und dies deines Holzes Schönheit war, 
Erhoben hätt' ich ein Beil, es gehandhabt, 
Fügen lassen ein Floß

[ca. 12 Verse fehlen]

Doch jetzt, o Türe: Ich zimmerte dich, ich hob dich auf, ... Nippur. 
Entweder mag ein König, der nach mir aufkommt, dich, 'wecken', 
Oder mag der Gott ... dich ... 
Er mag meinen Namen beseitigen und seinen Namen einsetzen!« 

Er riß aus..., warf... hin. 
Auf seine Worte hört' er hin, eilends gar früh... te er ihn. 
Gilgamesch hört hin auf die Worte seines Freundes Enkidu, und es fließen seine Tränen. 
Gilgamesch tat zum Reden den Mund auf, sagt und spricht zu Enkidu: 

»Es schenkte dir der Gott ... ein weites Herz, zuverlässige Rede
Er gab dir, Vernunft zu haben, und doch gar Seltsames redest du! 
Warum, mein Freund, sprach dein Herz so seltsame Dinge? 
Der Traum war doch sehr kostbar, des Schreckens aber auch viel!

[ein Vers fehlt]

...waren viel, der Traum war kostbar: 
Dem Lebenden überließen die Götter das Klagen! 
Der Traum überließ dem Überlebenden die Klage! 
Ich will beten und die großen Götter anflehen! 
Ich will stets ... suchen, zu deinem Gott beten! 
... Enlil, Vater der Götter, ...
[ein Vers fehlt]
Aus Gold in unendlicher Menge will ich dein Bildnis fertigen! 
... bekümmere dich nicht! Das Gold ... 
Was Enlil sagte, ist nicht wie ... 
Was er sagte, ging nicht zurück, nicht ... 
Was er... legte, ging nicht zurück, nicht ... 
Mein Freund, ... 
Die ... der Geschicke gehen zu den Menschen! 
Kaum, daß ein Schimmer des Morgens graute, 
Erhob Enkidu sein Haupt und weint vor Schamasch, 
Vor dem Glanz des Schamasch fließen seine Tränen.
Ich rief dich an, Schamasch, wegen meines kostbaren Lebens, 
Ich wandte mich an dich, Schamasch, wegen des Jägers, des gewalttätigen Menschen, 
Der mir nicht Gleiches zukommen ließ wie meinem Gefährten. 
Der Jäger erreiche nicht, was seinen Gefährten zuteil ward!
Vernichte seinen Gewinn, mindere seine Kräfte! 
Daß man ihn fortrage, sei sein Anteil vor dir! 
In... soll er nicht eintreten können, durch die Fenster hinausgehen müssen!« 

Als er den Jäger verflucht hatte nach Herzenslust, 
Trieb es ihn, auch die Dirne zu verfluchen. 

»Wohlan, Dirne, die Geschicke will ich dir bestimmen, 
Ein Schicksal, das kein Ende nimmt für der Ewigkeit Dauer! 
Ich will dich verwünschen mit großer Verwünschung, 
Eilends früh stehe auf meine Verwünschung wider dich! 
Nicht sollst du einrichten dürfen ein Haus, in dem du Frau bist, 
Auf daß du nicht lieben kannst ein Kind deines Leibes! 
Nicht sollst du wohnen im... der Mädchen! 
Deinen guten Schoß soll . . . schwängern! 
Dein Festgewand soll der Trunkene mit Gespei besudeln!
[ein Vers fehlt]
Als ... bleibe dir nur der Lehmklumpen des Töpfers! 
Vom glänzenden Alabastron sollst du nichts bekommen! 
..., das den Menschen Fülle bringt, soll in deinem Hause nicht aufbewahrt werden! 
Als Frauenlager diene dir der Türdurchgang! 
Der Kreuzweg sei dein Wohnsitz, 
Wüste Gegenden dein Lager! 
Der Schatten der Mauer sei dein Aufenthalt, 
Stachelkraut und Dornen sollen deine Füße wund stechen! 
Auf die Backe soll der Trunkne dich und der Durstige schlagen!« 

Auf deiner Reise soll der Löwe gegen dich brüllen! 
Deine Wand soll der Baumeister nicht verputzen! 
... niste das Käuzchen, 
... kein Gastmahl finde statt!

[fünf Verse fehlen]

... weil du gegen mich gepißt hast!« 

Da Schamasch die Rede seines Mundes hörte, 
Rief er alsbald ihn vom Himmel aus an: 

»Warum, Enkidu, verfluchst du die Dirne, die Priesterin? 
Die dich götterwürdige Speisen essen ließ, 
Mit feinstem Bier, wie es Königen ansteht, dich tränkte? 
Mit vornehmer Kleidung dich kleidete, 
Und Gilgamesch dir, den herrlichen, als Gesellen zu eigen gab? 
Jetzt, Freund, ist Gilgamesch gar dein leiblicher Bruder! 
Er läßt dich ruhen auf vornehmem Lager, 
Ja, auf einem Ehrenlager dich ruhen, 
Auf einem Sitz des Friedens, einem Sitz zur Linken läßt er dich hinsitzen, 
Daß die Herrscher der Erde die Füße dir küssen. 
Weinen läßt er um dich die Leute von Uruk und klagen, 
Wohlgestellte Leute erfüllt er mit Gram um dich
Er selbst läßt, bleibt er nach dir, schmutzbedeckt seinen Leib, 
Tut eine Löwenhaut an und läuft in die Steppe.«

Da Enkidu Schamaschs, des Helden, Rede vernommen, 
Ward alsbald sein zorniges Herz besänftigt. 

»Wohlan, Dirne, die Geschicke will ich dir bestimmen, 
Mein Mund, der dich eben verfluchte, soll nun dich segnen! 
Statthalter und Fürsten sollen dich lieben
Wer eine Doppelstunde ging, soll den Schenkel sich schlagen, 
Wer zwei Doppelstunden ging, soll sein Haupthaar schütteln! 
Nicht versage sich dir der Hauptmann, er löse für dich seinen Gürtel, 
Er gebe dir Obsidian, Lasurstein und Gold! 
Einen Scheibchenring lege er an an deine Ohren! 
Für. .. sind gefüllt seine Kohlebecken, seine Vorräte eingebracht. 
In das ... der Götter soll er dich hineinbringen, 
Die Gattin, die Mutter von sieben Kindern, 
Soll deinethalben verlassen werden!«

Enkidu grämte sich ab in seinem Gemüt, während er so lange einsam dalag. 
Wie es ihm zumute war, sagte er dem Freund und sprach zu ihm: 

»Mein Freund, ich sah einen Traum heute nacht: 
Der Himmel schrie, die Erde gab Antwort. Zwischen ihnen stand ich. 
Da erschien ein Mann mit düsterem Antlitz, Dem Anzû-Vogel glich sein Antlitz, 
Eine Löwentatze war seine Tatze, Adlerklauen waren seine Klauen. 
Er packte mich an meinem Schopf und überwältigte mich.

Ich schlug ihn, da sprang er auf und ab gleich einem Springseil.
Er schlug mich und wie ein.., drückte er mich hinunter. 
Wie ein Wildstier trampelte er mich nieder, er umklammerte meinen ganzen Leib. 
'Rette mich, mein Freund' (rief ich), aber du halfst mir nicht, Du hattest Angst und ... nicht ...

[4 Verse fehlen]

Da hat er mich ganz und gar in eine Taube verwandelt, daß mir die Arme wie Vögeln befiedert sind. 
Er faßt mich an, führt mich zum Hause der Finsternis, der Wohnung Irkallas
Zum Hause, das nicht verläßt, der's betreten, 
Zur Straße hin, deren Bahn nicht umkehrt, 
Zum Haus, darin wohnend man des Lichts entraten muß, 
Wo Erdstaub die Nahrung ist, Lehm die Speise, 
Man Flügelgewänder trägt wie Vögel 
Und Licht nicht sieht, im Dunkeln sitzt. 
Auf Tür und Riegel liegt der Staub.
Wo ich eingetreten, im Hause des Erdstaubs, 
Liegen am Boden die Königsmützen, 
Die Fürsten, die Träger von Königsmützen, 
Die seit der Vorzeit das Land beherrschten, 
Die Stellvertreter von Anu und Enlil - Sie tragen auf gebratenes Fleisch, 
Tragen Gebäck auf, kredenzen aus Schläuchen kühles Wasser. 
Wo ich eingetreten im Hause des Erdstaubs, wohnen Hohepriester und Opferhelfer, 
Wohnen Reinigungspriester, Geweihte, wohnen die gesalbten Priester der großen Götter, 
Wohnt Etana, wohnt Sumukan, wohnt Ereschkigal, die Königin der Erde
Beletßêri, die Schreiberin der Erde, kniet vor ihr, sie hält eine Schreibtafelund liest ihr vor. 
Sie wandte ihr Haupt und erblickte mich - Da nahm sie diesen ... hinweg.«

[50 Verse fehlen]

»Der mit mir durch alle Beschwernisse zog, 
Gedenke an alles, was ich durchwanderte all die Jahre! 
Mein Freund sah einen Traum, der Ungutes weissagt.« 

Der Tag, da den Traum er sah, war zu Ende. 
Da liegt nun Enkidu einen Tag, einen zweiten Tag
Es sitzt der Tod in Enkidus Schlafgemach. 
Einen dritten Tag und einen vierten Tag 
Sitzt der Tod in Enkidus Schlafgemach, 
Einen fünften, sechsten und siebenten, 
Einen achten, neunten und zehnten. 
Enkidus Krankheit wird schlimmer und schlimmer. 
Einen elften und zwölften Tag liegt er da, Enkidu liegt auf dem Lager des Todes. 
Da rief er Gilgamesch und sprach zu ihm: 

»Mich hat, mein Freund, verwünscht eine böse Verwünschung! 
Nicht wie jemand mitten im Streite fällt, sterb ich, 
Mich schreckte die Schlacht, so sterb ich ruhmlos. 
Mein Freund, wer da fällt in der Schlacht, ist glücklich, Ich aber dulde Schmach im Sterben.«


Achte Tafel

Kaum daß ein Schimmer des Morgens graute, 
Tat Gilgamesch den Mund auf und sprach zu seinem Freund: 

»Enkidu, mein Freund, deine Mutter, die Gazelle, Dein Vater, der Wildesel, haben dich gezeugt. 
Vier Wildesel mit ihrer Milch haben dich aufgezogen, Und das Getier zeigte dir alle Weidestätten.
Die Wege Enkidus führten bis zum Zedernwald, 
Sie mögen weinen über dich und nicht schweigen Tag und Nacht! 
Weinen mögen über dich die Ältesten des weiten Uruk-Gart, 
Alles Volk, das betet nach unserem Tode, weine über dich! 
Weinen mögen über dich die Männer der Berge, des Gebirges!

[Text im Folgenden (wo Auslassungspunkte) ungewiss, 
von schlecht erhaltenen, fehlerhaft geschriebenen Schülertafeln]

... lege ich mich hin. Klagen mögen die Fluren wie deine Mutter! 
Weinen möge über dich der Wald, die Zypresse und die Zeder! 
..., die wir verwüsteten in, unserem Grimm! 
Weinen möge über dich Bär, Hyäne, Tiger, Wisent, Parder, 
Löwe, Wildstier, Hirsch, Steinbock, alles Getier des Feldes! 
Weinen möge über dich der heilige Ulai-Fluß, an dessen Ufer wir stolz einhergingen! 
Weinen möge über dich der reine Euphrat-Fluß, 
An dem wir so oft opferten (klares) Schlauchwasser! 
Weinen mögen über dich die Männer des weiten Uruk-Gart, 
Die wir im Kampf sahen, als wir den Himmelsstier töteten. 
Weinen möge über dich der Landmann wegen der Löwen, 
Der im frohen Arbeitslied deinen Namen erhob! 
Weinen möge über dich ... der weiten Stadt, der ..., 
Der im ersten ... deinen Namen erhob. 
Weinen möge über dich der Hirte, der... 
Butter und Leichtbier recht bereitete für deinen Mund. 
Weinen möge über dich ... 
... trug auf auf deinen .. die Butter. 
Weinen möge über dich 
stellte hin feines Bier für deinen Mund. 
Weinen möge über dich die Dirne ... 
... mit Öl salbtest du dich, (und) es gefiel dir. 
Weinen möge über dich ... 
Im Sippenhaus des Gatten einen Ring gab man dir. 
Weinen möge über dich ... 
Die Brüder mögen weinen über dich wie Schwestern! 
Deine ... seien Klagepriester. . 
Ausgerauft seien ihre Haare über dir! 
... Enkidu, deine Mutter und dein Vater sind in ihrer Steppe, 
Ich weine über dich ...
Hört mich, ihr Ältesten von Uruk, ihr Männer hört mich an! 
Um Enkidu weine ich, um meinen Freund, 
Wie ein Klageweib bitterlich klagend! 
Du Axt an meiner Seite, so verläßlich in meiner Hand! 
Du Schwert an meinem Gurt, du Schild, der vor mir ist! 
Du mein Festgewand, du Gurt für meine Kraftfülle! 
Ein böser Dämon stand auf und nahm ihn mir weg! 
Mein Freund, du flüchtiger Maulesel, Wildesel des Gebirges, Panther der Steppe! 
Enkidu, mein Freund, du flüchtiger Maulesel, Wildesel des Gebirges, Panther der Steppe! 
Nachdem wir, alles gemeinsam verrichtend, den Berg erstiegen, 
Den Himmelsstier packten und töteten, 
Auch den Chumbaba umbrachten, der da wohnte im Zedernwald -!

Was ist das nun für ein Schlaf, der dich gepackt hat? 
Du wurdest umdüstert und hörst mich nicht mehr!«

Der aber schlägt die Augen nicht auf, und da er nach seinem Herzen faßte, schlug es nicht mehr! 

Nun, da er dem Freund gleich einer Braut das Gesicht verhüllt hat, 
springt er über ihm umher wie ein Adler, 
Wie eine Löwin, die ihrer Jungen beraubt ist. 
Er wendet sich immer wieder vorwärts und rückwärts, 
Rauft sich das gelockte Haar, schüttet es zu Boden, 
Reißt seine schönen Kleider ab und wirft sie hin wie etwas Unberührbares.
Kaum daß ein Schimmer des Morgens graute, 
Ließ Gilgamesch über das Land den Ruf ausgehen: 

»Du Schmied, Edelsteinschleifer, Kupferformer, Goldschmied, Ziseleur, Bilde meinen Freund, schaffe sein Bildnis!« 

Da schuf der.., ein Bildnis seines Freundes, Von seinen Gliedmaßen ... 

»... von Lasurstein sei deine Brust, von Gold dein Leib!«

[ca. 25 Verse fehlen]

»Ich lasse dich ruhen auf vornehmem Lager, Ja auf einem Ehrenlager dich ruhn, 
Auf einem Sitz des Friedens, einem Sitz zur Linken, lasse ich dich hinsetzen, 
Daß die Herrscher der Erde die Füße dir küssen.
Weinen laß ich um dich die Leute von Uruk und klagen, 
Wohlgestellte Leute erfüll ich mit Gram um dich
Ich selbst laß schmutzbedeckt meinen Leib nach dir, 
Tu eine Löwenhaut um und lauf in die Steppe.«

[137 Versen fehlen]

Kaum daß ein Schimmer des Morgens graute, 
Ließ er einen großen Tisch von Elammakku hinaustun, 
Von Karneol eine Schale füllt' er mit Honig, 
Von Lasurstein eine Schale füllt' er mit Butter an. 
Mit . . . stattete er aus und ließ es den Schamasch sehen.

[Von der weggebrochenen Tafel fehlen 30 bis 50 Verse]
 

Neunte Tafel

Gilgamesch - um Enkidu, seinen Freund, weint er bitterlich, läuft herum in der Steppe: 

»Werd ich nicht, sterbe ich, ebenso sein wie Enkidu?
Harm hielt Einzug in meinem Gemüte, 
Todesfurcht überkam mich, nun lauf ich herum in der Steppe
Zu Utnapischtim hin, dem Sohn Ubara-Tutus
Hab den Weg ich genommen, zieh eilig dahin.
Zu den Pässen des Berges gelangt' ich des Nachts. 

Löwen sah ich und fürchtete mich, hob empor mein Haupt, betend zu Sin, 
An die Größte unter den Göttern ergeht mein Flehn: 

' ... laß heil mich bleiben in dieser Gefahr!' « 

Nachts schlief er ein von einem Traum schreckt' er auf: 

Ein ..., er freute sich des Lebens. Er nahm eine Axt an seine Seite, 
Zog das Schwert aus seinem Gürtel. 
Unter sie stürzte er wie ein Pfeil, Hieb auf sie drein und zerstreute sie.

[32 Verse fehlen]

[Gilgamesch kommt zu einem Berge:]

Des Berges Benennung ist Mâschu
Sowie er zum Berge Mâschu gelangt war: - 
Die täglich Auszug und Einzug bewachen, 
Über die nur die Himmelshalde hinwegragt, 
Denen unten die Brust an den Höllengrund stößt - 
Skorpionmenschen halten am Bergtor Wacht, 
Deren Furchtbarkeit ungeheuer ist, deren Anblick Tod ist, 
Deren großer Schreckensglanz Berge überhüllt, 
Die beim Auszug und Einzug der Sonne die Sonne bewachen - 
Da Gilgamesch diese sah, überdeckte er mit Furchtbarkeit und Schreckensglanz sein Angesicht. 
Er faßte sich und neigte sich vor ihnen.

Der Skorpionmensch ruft seinem Weibe zu: 

»Der zu uns da gekommen - sein Leib ist Götterfleisch!«

Das Weib des Skorpionmenschen antwortet ihm: 

»Zwei Teile sind Gott an ihm - Mensch ist sein dritter Teil!«

Der Skorpionmensch, das Mannsbild, ruft, 
Zum Sprößling der Götter sagt er die Worte:

»Weshalb zogst du so fernen Weges, 
Kamst du hierher, bis vor mich hin, 
Quertest du mühsam zu querende Ströme? 
Gerne wüßt' ich, worum es dir geht.«

[28 Versen fehlen]

[Gilgamesch antwortet:]

»Um Utnapischtims, meines Ahnen willen...! 

Der trat in die Götterschar, bekam geschenkt das Leben - Nach Tod und Leben will ich ihn fragen!«

Der Skorpionmensch tat den Mund auf und sprach zu Gilgamesch: 

»Nicht gab es, Gilgamesch, Menschen, die's konnten! 
Des Berges Inneres hat niemand durchschritten, auf zwölf Doppelstunden ist finster sein Inneres! 
Dicht ist die Finsternis, kein Licht ist da! Zum Sonnenaufgang lenkt sich der Weg, 
Zum Sonnenuntergang ...

[69 Versen fehlen]

Unter Klagen ... 
In Nässe und Sonnenglut ... 
Unter Seufzen-... 
Jetzt . . . «

Der Skorpionmensch tat den Mund auf, 
Zu Gilgamesch sprach er die Worte:

»Zieh hin, Gilgamesch, fürchte dich nicht! 
Die Berge von Mâschu geb ich dir frei, 
Die Berge, die Gebirge durchschreite getrost! 
Heil mögen heim deine Füße dich bringen!«;

[1 Vers fehlt]

Kaum hatte Gilgamesch dies vernommen, 
Als des Skorpionmenschen Wort er befolgte, 
Auf dem Wege des Schamasch trat er ins Bergtor ein.
Als er eine Doppelstunde weit gedrungen: 
Dicht ist die Finsternis, kein Licht ist da, 
Nicht ist ihm vergönnt zu sehen, was hinten liegt.
Als er zwei Doppelstunden weit gedrungen: 
Dicht ist die Finsternis, kein Licht ist da, 
Nicht ist ihm vergönnt zu sehen, was hinten liegt.
Als er drei Doppelstunden weit gedrungen: 
Dicht ist die Finsternis, kein Licht ist da, 
Nicht ist ihm vergönnt zu sehen, was hinten liegt.
Als er vier Doppelstunden weit gedrungen: 
Dicht ist die Finsternis, kein Licht ist da, 
Nicht ist ihm vergönnt zu sehen, was hinten liegt.
Als er fünf Doppelstunden weit gedrungen: 
Dicht ist die Finsternis, kein Licht ist da, 
Nicht ist ihm vergönnt zu sehen, was hinten liegt.
Als er sechs Doppelstunden weit gedrungen: 
Dicht ist die Finsternis, kein Licht ist da, 
Nicht ist ihm vergönnt zu sehen, was hinten liegt.
Als er sieben Doppelstunden weit gedrungen: 
Dicht ist die Finsternis, kein Licht ist da, 
Nicht ist ihm vergönnt zu sehen, was hinten liegt.
Als er acht Doppelstunden weit gedrungen, schreit er auf: 
Dicht ist die Finsternis, kein Licht ist da, 
Nicht ist ihm vergönnt zu sehen, was hinten liegt.
Als er neun Doppelstunden weit gedrungen, spürt er den Nordwind, ... es lächelt sein Antlitz. 
Dicht ist die Finsternis, kein Licht ist da, 
Nicht ist ihm vergönnt zu sehen, was hinten liegt.
Als er zehn Doppelstunden weit gedrungen, Da ist nahe der Ausgang ...
[1 Vers fehlt]
Als er elf Doppelstunden weit gedrungen, kommt er heraus vor Sonnenaufgang. 

Als er zwölf Doppelstunden weit gedrungen, herrscht die Helle. 

Er strebt, die Edelsteinbäume zu sehen: 
Der Karneol, er trägt seine Frucht, 
Eine Traube hängt dran, zum Anschauen geputzt. 
Der Lasurstein trägt Laubwerk, 
Auch trägt er Frucht, lustig anzusehn.

 

Gilgamesh (1)

Gilgamesh (2)

Gilgamesh (3)

Gilgamesh (4)

Gilgamesh (5)

 

 

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